Bin hin und her gerissen. Er sagt, dass er mich nicht von der Bettkante schubsen würde. Hatte mir schon Zeit geschaffen für einen experimentellen Ausflug. Doch nun ist wieder alles anders. Bin gereizt, weil ich meine Tage bekomme (was eigentlich ja ein Grund zur Freude ist - schließlich ein Zeichen dafür, dass ich nicht in den Abgrund stürze). Das passt nicht in mein Konzept. Und ich wollte doch gar keinen Mitmacher. Ich wollte ursprünglich auch gar keinen Sklaven, weil ich ja selber die Verantwortung abgeben wollte. Doch seit letztem Freitag finde ich die Idee, eine Herrin zu sein, mehr als reizvoll. Ich muss einen neuen Superlativ von Ambivalenz erschaffen, um nur annähernd das Chaos in meinem Kopf zu beschreiben. Selbstverständlich könnte ich mich morgen (also nachher) zurecht machen und an seine Tür klopfen. Ja und sicher würde er mich herein bitten. Ich bin ausgehungert und es wäre sicher ne geile Nummer. Im Anschluss würde ich wieder auf seinen Anruf warten, weil ich mir eine Wiederholungsaufforderung wünsche und die Nachfrage nach meinem Befinden. Nichts davon wird stattfinden, weil er ein Mitmacher ist. Und ich weiß, es wird an meinem Selbstwert nagen. Was soll ich tun? Warum sagen Männer nie NEIN. Das ist so ungerecht. Mein Lack-Catsuit wird morgen, spätestens übermorgen eintreffen. Nein, ich bereue den Kauf nicht. Jemand wird den Wolfsjungen ersetzen (nach einer Erholungspause). Wenn ich also Entscheidungen treffen muss und wieder die Verantwortungsarschkarte zugeschoben bekomme, dann sage ich jetzt endlich NEIN und ziehe es auch durch (wenn auch mit den Teufelchen im Kopf, die stacheln: "Du siehst Hammer aus in glänzendem Lack. Und Enthaltsamkeit, trotz Zeitfenster und einem Objekt der Begierde ist komplett bescheuert".)

Rerik, 21.07.2013

Anfahrt und Ankunft gestern gut überstanden. Nach Einlass in das 7-Tage-Domizil und Feststellung, dass es nur ein Schlafzimmer mit einem Doppelbett gibt – hysterischen Anfall bekommen. War mental auf zwei Schlafzimmer und somit auf mein eigenes kleines Reich mit abschließbarer Tür eingestellt – Pustekuchen.

Also mit Schnappatmung zurück zur Rezeption. „Habe für ein Haus Möwe bezahlt, wo ist das 2. Schlafzimmer???“ Die freundliche Dame hinter dem Anmeldungsthresen kocht mich langsam wieder herunter: „Sehen Sie, hier ist Ihre Buchungsbestätigung für ein 2-Zimmerappartement TYP MÖWE“. Tatsächlich habe ich genau diese Bestätigung per Post erhalten. „Wollen Sie mir ernsthaft sagen, ich bezahle für ein Appartement TYP MÖWE das gleiche, wie für ein ganzes Haus (HAUS MÖWE) mit 2 Schlafzimmern?“ Sie wedelt mit der Buchungsbestätigung. Meine Schnappatmung setzt wieder ein. Die Dame nickt freundlich und spricht: „Sehen Sie, ich verstehe dass Sie sauer sind, aber das ist Ihre Buchung.“

Ich spüre meine Ader an der Schläfe pochen. Ich frage süßlich: „Soll ich jetzt mit meiner Mutter und meinem Sohn in einem Doppelbett schlafen???“ „Aber nein, das Wohnzimmer hat eine Schlafcouch.“ Oh ja, die hatte ich schon entdeckt. Ein häßliches Ding mit rotbraunem Kunstlederbezug mitten im Wohnbereich des Appartements. „Wissen Sie, ich habe extra direkt bei der AWO gebucht, weil das Sozialwerk mir nur ein kleines 2-Zimmerappartement zur Verfügung stellen wollte. Meine Mutter hätte nicht mitfahren können, da sie eben meine Mutter und nicht mein Lebensgefährte ist, der als Mitglied des Sozialwerks zählen würde.“

Ich übergebe mich in Gedanken. Wofür werde ich so bestraft? Die Dame bemerkt den Wechsel meiner Gesichtsfarbe von rot zu grün. Sie sagt:“ Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich lasse Ihnen das Appartement TYP Möwe (Anm. d. Verfasserin: bitte nicht verwechseln mit HAUS Möwe) günstiger und Sie bekommen für die Woche freien Eintritt ins Schwimmbad.“ Meine Gesichtsfarbe wechselt von grün zurück auf rot.

Zehn Minuten später steht eine Putzfee auf der Schwelle unseres Appartements, bringt auch für mich nun Bettwäsche und Handtücher – ein Traum. Ich helfe ihr beim Kampf mit dem rotbraunen Kunstlederbezug-Monster. Endlich prankt es frisch bezogen im ehemaligen Wohnbereich. Wehmütig verabschiede ich mich von der „7-Tage-Privatsphäre-im-eigenen-Zimmer-Idee“ …

Ich will nichts essen, ich will nichts trinken, ich will nicht wach sein, ich will nicht schlafen. Kann nicht arbeiten. Kümmere mich ordentlich um mein Kind, aber das ist auch schon alles. Mehr geht im Moment nicht. Die Nummer ist immer noch gespeichert.

Es ist 20:10 Uhr, der Kontakt, sowie der Chat ist gelöscht - ich möchte heulen. Auf ein „Wollen wir uns kurz sehen?“ ein „Ehrlich gesagt, nein“ als Antwort zu bekommen hat mich hart getroffen. Er sagt, er will mir keinen Honig ums Maul schmieren. Aber ich hätte mir eine nettere Formulierung gewünscht, aus der ich irgendwie hätte entnehmen können, dass ich in seinen Gedanken bin.

Ich bin traurig, aber ich hoffe dass es jeden Tag wieder etwas leichter fällt meine Beischlafnebenwirkungen unter Kontrolle zu bekommen. Soviel Aufregung und Theater um nichts. Ich möchte vor Scham im Erdboden versinken.

https://www.youtube.com/watch?v=IFrVfH54Q1Y&feature=player_detailpage

Ich bin so ein Kamel. Da habe ich einmal Sex und schon dreh ich völlig durch. Weiß nicht, ob das zum Heulen ist. Vielmehr ist das wohl zum Lachen. Hab Schmetterlinge im Bauch und zicke wie ein Eheweib. Puh, wie unnötig. Eine Freundin hat die Regeln für eine Affäre sehr schön zusammengefasst:

1. Keinen Stress,
2. keinen Stress,

und ganz wichtig:

3. keinen Stress!

Sie sagt, ich wäre kein Affärentyp. Mist - aber ich wäre es gerne!!! Hab auch keinen Plan, ob er jetzt nochmal zurück rudert. Wollte einen Haken an die Geschichte machen, aus verschiedenen Gründen.

Grund Nummer 1 war wohl, dass ich aus der Kommunikation nicht entnehmen kann, dass ich umwerfend, grandios und liebreizend bin.

Grund Nummer 2 : Ich will die Angst wieder los werden. Angst einen Korb zu kriegen, Angst irgendwelchen Erwartungen nicht zu genügen, Angst etwas falsch zu machen/falsch gemacht zu haben. Die Angst mich fallen zu lassen und die Angst mich zu verlieben.

Grund Nummer 3: Ich weiß, dass ich anstrengend bin (hey, aber ich bin eben eine Frau und muss etwas mehr als 3000 Wörter am Tag loswerden).

Grund Nummer 4: Es ist ein Fehler Es führt nirgendwohin nur ins Gefühlschaos. Ich benehme mich wie eine Dampfwalze (genauso, wie ich selbst schon oft überrollt wurde).

Man kann all diese Gründe ganz einfach zusammenfassen: Ich bin kein Affärentyp.

Da es sich bei meinem Objekt der Begierde, diesmal aber nicht um einen glattgeschliffenen Funkeldiamanten handelt, will ich gerne bei der Interpretation eines Bildes mit Kreis und Dreieck eine spielende Katze erkennen. Im Kern der Funkeldiamanten verbirgt sich in den meisten Fällen sowieso nichts, oder nur ein verbogenes und/oder verlogenes Ego (Trotzdem bin ich von ihrem schönen Schein und ihrer Eloquenz immer schwer beeindruckt).

Er beeindruckt mich nicht mit schönen Worten und ich kenne ihn auch zu wenig, um sagen zu können, er ist echt. Klar ist er seinem Spieltrieb erlegen, aber ich möchte gerne glauben, dass er wählerisch ist und das ich für ihn jemand Besonderes bin.

https://www.youtube.com/watch?v=nUD26iTq2p8&feature=player_detailpage

Plötzlich war der Wolfsjunge da. Er musste von einem Stern gefallen sein (wahrscheinlich vom Mars) und landete direkt in meinem Bett. Seine Augen leuchteten in einem hellen, gelbstichigem grün. Wenn meine Fingernägel an seinem warmen glatten Rücken hinunter wanderten, knurrte er leise. Er war zärtlich und sanft. Zu sanft um mir den Verstand heraus zu vögeln. Wollte mich verlieren und berauschen, doch die Teufelchen in meinem Kopf kicherten und höhnten: „Du kannst ihn nicht kultivieren, er ist vom Mars!“ Er gab mir zu verstehen, er wäre böse und da meine Urahnen auf der Venus lebten, versuchte ich mich in unnötiger Analyse und humaner Pädagogik.

Sex verursacht bei den Nachfahren der Venusianer Hirndurchblutungsstörungen und sie glauben, sie könnten schweben. Wenn die Hirndurchblutungsstörung abklingt, landen sie mit einem satten „Plopp“ wieder auf dem Boden der Realität.



Ich wurde nicht getäuscht, ich wurde nicht enttäuscht, ich war selbstbestimmt und das Gefühl in meinem Bauch ist nicht Liebe, sondern Angst. Der Wolfsjunge findet zum Mars zurück.

Ich bleibe wo ich bin, beneide ihn ein wenig und suche weiter nach meinem Stern…

Puh, fühle ich mich ätzend! Habe gerade folgende Zeilen an den Erzeuger meines Kindes gesandt: "Bevor Du Post vom Jugendamt bekommst, möchte ich dem vorgreifen. Da Du Dein Studium abgschlossen hast und Du nun den Beruf eines Sport- und Physiklehrers ausübst, zumindest aber bei entsprechender Bemühung ausüben könntest, beträgt der Unterhalt für ****** entsprechend der Düsseldorfer Tabelle 383,00 Euro abzüglich des hälftigen Kindergeldbetrages, also 291,00 Euro. Ich bitte um Zahlung spätestens ab dem 01.09.2013."

Und wieder schlagen sich zwei Seelen in meiner Brust mit Gewissensbissen, Schuldgefühlen und der Fürsorge für den kleinen Prinzen herum. Wann hört er auf der Wahn? Hab ja versucht, völlig emotionslos zu klingen, aber ich lauf hier Amok und erschrecke mich vor jedem Mitteilungston meines tollen Handys. Die letzte Message war zum Glück "nur" von der verschollen geglaubten griechischen Bronzestatue. Damit werde ich mich später auseinandersetzen. Nur weil er gerade im Urlaub von Sommerhormonen geplagt wird, muss ich mich ja nicht sofort aus der Reserve locken lassen.

Würde mir ja gerne einreden, dass ich im Sinne meines Kindes absolut korrekt handle, aber es gelingt mir nicht. Wie fühlt er sich wohl, wenn er mindestens 18 Jahre lang zu einer monatlichen Zahlung genötigt wird, nur weil einmal kein Kondom zur Hand war und ich der wunderbaren Verhütungsmethode mit einem Gerät namens "Persona" vertraute?

Im Zimmer nebenan liegt mein wunderbarer Sohn pudelnackt und schwitzt sich bei ca. 30 Grad Celsius Zimmertemperatur die Seele aus dem Leib. Ich hoffe inständig, er vergibt mir all meine Fehler. Er möchte seinen Vater kennenlernen mit ihm reden und ich weiß, dass dies nie stattfinden wird. Egal, wie sehr wir uns das beide wünschen. Ich bin heilfroh, wenn er dieses Projekt immer mal wieder aus den Augen verliert und ich mich in den Mantel des Stillschweigens hüllen darf. Was soll ich sagen??? Ja, ich war sehr verliebt. Ja ich habe meinen Sohn immer gewollt, gewünscht und herbeigesehnt - nur eben mit einem anderen Mann. Mit einem Mann, der bereit ist die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Mit einem Mann, der uns die Kotzschüssel hält, wenn es sein muss und der stolz ist wie ein Spanier, nur weil der kleine Prinz im Urlaub schwimmen gelernt hat (Mir geht jetzt noch die Pumpe, vom angstvoll nebenher schwimmen).

Doch nun genug gejammert. Die Post ist abgeschickt. Wir sind gesund und munter. Ein angesäuselter "stark illustrierter" Bauarbeiter hat mir heute im Freibad erzählt, dass ich die strahlendsten Augen habe, die er jemals gesehen hätte (außer bei Terence Hill). Vielleicht sind auch schon viele Dropse gelutscht - aber lange noch nicht alle!!!

https://www.youtube.com/watch?v=lsj_3c8mA3M&feature=player_detailpage

Da hatte ich ihn Nachmittags gestalkt und mitgeteilt, in welcher Lokation ich meinen Abend verbringen werde. Seine Antwort war negativ und er müsse es ja leider immer mit so vielen anderen treiben. Bis dahin alles nur schmerzloses Geplänkel. Kurz vor Abfahrt dann die Info meiner Freundin mit dem Vorschlag, einen anderen Laden unsicher zu machen. Freute mich darauf und hatte gute Laune.

Die sollte mir dort schnell vergehen, als er plötzlich genau vor mir aus dem Boden wuchs. War völlig überfordert und konnte nur wirres Zeug von mir geben. Der Spaß wollte mich einfach nicht mehr überkommen. Ich strich die Segel und jetzt schlage ich mir hier die Nacht um die Ohren, nur weil ich mir das Wiedersehen so anders vorgestellt hatte. Vor allem war in meiner Vorstellung keine andere Frau in seinem Schlepp. Ich hasse meine Realtitätsfremdheit!

https://www.youtube.com/watch?v=2QBohZrNfw4&feature=player_detailpage

Sicher ist euch schon mal aufgefallen, dass jede beim Kommunnikationspartner eingehende "Whats app" mit zwei kleinen Häkchen quittiert wird. "Whats app" zeigt die letzten, oder aktuellen Online - Zeiten der gespeicherten Kontakte an. So kann man sicher sein, dass der, oder die Wunschempfänger(in), keineswegs von Ausserirdischen entführt wurde (auch wenn man das so gerne glauben würde).

Die letzten zwei Häckchen in der Liste erinnern wahlweise daran, dass die Sache einen Haken hat, bzw. die Geschichte nun wirklich abgehakt werden kann ;o).

Es lebe Modern Stalking!